Fahrscheinautomat

 

Vor einigen Jahren waren wir im Hamburg, Familienreise mit Kindern. Wir wollten eines schönen Tages mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Museumshafen Ovelgönne. Also Fahrschein lösen, am Automaten, deutsches Fabrikat, stabil, Wertarbeit. Intelligente Displays gab es damals noch nicht, dafür sehr viele Tasten, die in einer bestimmten Reihenfolge gedrückt werden wollten: Datum, natürlich, und Zeit. Zielort, via? Anzahl Personen? Kinder, Rentner, Behinderte? Andere Ermässigungen? Rückfahrt? Bargeld oder Karte? Noch frohgemut machte im mich daran, für alle zehn Reisenden das richtige Billet, pardon den richtigen Fahrschein, zu lösen. Ich vertraute auf die Logik des Apparats und versuchte, sie zu verstehen. Ich kam langsam voran, die Zeit lief, die Reisegruppe wurde unruhig.

 

Kurz vor dem Ziel, oder was ich dafür hielt, drückte klein Urs (neun Jahre) auf irgendeine Taste, und meine ganzen Bemühungen waren im Eimer. Ich tobte, natürlich nur innerlich. Nun kam Ursens älterer Bruder Elio zum Zug. Er überlegte nicht lange, begann einfach zu drücken, hier und da und dort. Und nach einer kleinen Weile hatte er, was wir brauchten. Wie war das möglich? Wahrscheinlich hat Elio gar nicht versucht, der Logik des Apparats auf die Spur zu kommen, er drückte einfach und sah, was geschah. Er betrachtete den Automaten als Black Box, welche auf bestimmte Inputs mit bestimmten Outputs reagierte. Ich kam mir alt vor. Könnte es sein, dass die junge Generation auch die Welt nicht mehr mittels Grossnarrativen und sozialwissenschaftlichen Theorien zu verstehen versucht, sondern einfach mit ihr spielt und zusieht, was passiert? Die Welt als Fahrscheinautomat?

 

 

 

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